„Ich habe fertig“ – Wie wir in einer fremden Sprache unsere sprachliche Kreativität nutzen

Von Florian Kankowski, 15. Oktober 2025
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Clipart Citizen Science

Sprachliche Kreativität klingt nach einem großen Wort – nach Literatur, Poesie oder den pointierten Reden von Politiker*innen. Doch manchmal zeigt sie sich an ganz unerwarteten Stellen. Ein berühmtes Beispiel lieferte Giovanni Trapattoni. 1998, als Trainer des FC Bayern München, hielt er eine denkwürdige Pressekonferenz. Diese schloss er ab mit dem Satz: „Ich habe fertig.“

Grammatisch korrekt ist das nicht. Eigentlich müsste es heißen: „Ich bin fertig.“ Doch Trapattoni, dessen Muttersprache Italienisch ist, wählte diese ungewöhnliche Form. Überhaupt nutzte Trappatoni in seiner emotionalen Rede auf faszinierende Weise seine Muttersprache, um seinen Gefühlen in der Nicht-Muttersprache freien Lauf zu lassen. Er verwendete ausdrucksstarke Bilder, so auch in der berühmten Wendung „wie eine Flasche leer“, in der er auf kreative Weise Sprache aus der Muttersprache mit seiner Zweitsprache Deutsch verband - und damit hoch emotional genau auf den Punkt brachte, was ihn so in Rage versetzte. Genau darin liegt das Spannende: Die Äußerungen war neuartig und originell – und trotzdem gelungen: Man hat sofort verstanden, was Trapattoni meinte. Und siehe da: Der Ausdruck blieb hängen. Erst griffen Journalist*innen und Fans ihn auf, nutzten ihn als Sinnbild für die ikonische Rede, doch im Laufe der Zeit entwickelte er sich mehr und mehr zu einem eigenständigen Begriff. Heute ist „Ich habe fertig“ fester Bestandteil des deutschen Sprachgedächtnisses und wird selbst in seriösen Medien verwendet, ohne den Namen Trapattoni auf den Plan zu rufen. 

Dieses Beispiel verdeutlicht Sprachwandel in Echtzeit: Was einmal kreativ, seltsam und für manche schwer verständlich war, kann mit der Zeit konventionell werden. Es verdeutlicht auch, was wir als Sprachforschende unter sprachlicher Kreativität verstehen: Eine Äußerung ist kreativ, wenn sie neu und originell ist, aber trotzdem so funktioniert, dass andere sie verstehen und aufnehmen können. Und Sprache lebt davon. Die Flexibilität unserer Sprache und die Fähigkeit, Neues und Ungehörtes zu verstehen, erlauben es uns, effizient zu kommunizieren.

Für die Sprachwissenschaft ist das eine spannende Herausforderung. Wie lässt sich sprachliche Kreativität erforschen? Und wie können wir nachvollziehen, wie sie entsteht, welche sprachliche Form sie annimmt und auf welche Arten und Weisen wir als Menschen überhaupt kreativ sind?

Hier kommt Citizen Science ins Spiel. Sprachliche Kreativität begegnet uns nicht nur in der Literatur oder auf Pressekonferenzen, sondern überall im Alltag: in Gesprächen mit Freund*innen, in sozialen Medien, in Witzen oder Sprichwörtern. Wenn wir verstehen wollen, wie Sprache sich verändert, reicht es nicht, nur im Labor zu schauen. Wir Sprachwissenschaftler*innen brauchen Menschen, die ihre Beobachtungen teilen, bei Experimenten mitmachen oder uns Beispiele liefern.

So wie Trapattonis Satz durch die vielen, die ihn aufgegriffen haben, zum festen Bestandteil der deutschen Sprache wurde, so lebt auch die Forschung über sprachliche Kreativität davon, dass viele Menschen mitwirken. Genau dafür ist unsere Citizen-Science-Plattform da: Gemeinsam mit euch möchten wir die kreativen Seiten der Sprache entdecken!